6 Gründe, warum Väter weniger Elternzeit nehmen

Spiegel Online hat gerade einen Kommentar veröffentlicht, der Männer aufforderte, sich ihrer Rolle als Väter mutiger zu stellen:

„Immer wieder beklagen Männer, sie hätten nicht genug Zeit für ihre Kinder – aber nach wie vor arbeitet nur ein Bruchteil in Teilzeit. Väter müssen mutiger werden.”

https://www.spiegel.de/politik/deutschland/kommentar-zu-vaeter-mit-beruf-und-familie-a-1042449.html

Bereits Anfang der 2000er-Jahre stolperte ich über einen Artikel in der „Psychologie Heute“, dessen Autor verwundert eine Studie zitierte, nach der Männer vor der Geburt mehr für ihre Kinder da sein zu wollen, als sie es nach der Geburt wirklich tun. Ich fand die Überraschung des Autors schon damals verwunderlich.

Als Vater stimme ich der Aussage von Anna Reimann Spiegel-Artikels zwar prinzipiell zu, leider halte ich ist ihre Forderung für naiv und kontraproduktiv, wenn man sich über die zugrundeliegenden Probleme nicht ehrlich unterhält. Diese Haltung kann nur aus der privilegierten Position heraus vertreten werden, in der das Maß der Erziehungsarbeit tatsächlich nur von der eigenen Entscheidung abhängt. Aber selbst »neue Väter« sind in dieser Rolle meist nur von Mutters Gnaden gelandet. Eine Beziehung, in der beide dies auf Augenhöhe entscheiden, wird von unserem Familienrecht immer noch torpediert.

Wir haben schließlich erst 2013 das Sorgerecht gegen den Willen der Mutter ins Gesetz aufgenommen.

Als ich meine erste Vaterschaftsanerkennung 1996 unterschrieb, gab es nicht einmal ein Umgangsrecht für unverheiratete Väter.

Über die Jahre habe ich mehr als genug Väter kennengelernt, die mehr Engagement gewollt hätten und ihre Erfahrungen lassen mich feststellen: Mit „mehr Mut“ ist es leider nicht getan.

Weshalb reicht Mut allein nicht aus? Die meisten Väter sind doch keine Idioten, die sich einfach nicht um ihre Kinder kümmern wollen (Ausnahmen bestätigen die Regel). Deshalb hier mal sechs Gründe, die willige Väter ausbremsen:

1. Männer verdienen mehr

Nein, hier geht es nicht um die absurde Gender Pay Gap, die künstlich aufgebläht wird, damit die Bundesfrauenministerinnnen regelmäßig ein Klagelied anstimmen können, obwohl das eigentliche Problem die Berufswahl oder persönliche Lebensentscheidungen vieler Frauen sind. Es geht um eine im Juni 2014 veröffentlichte Auswertung der Elterngeldansprüche. Diese kam zu dem Ergebnis, dass Väter im Schnitt 440 € mehr Elterngeld bekommen. Auch wenn die Presse es gern so darstellt, als würden Väter in der Hinsicht bevorzugt werden, ist das natürlich Humbug. Das Elterngeld kompensiert nur maximal zwei Drittel der Einkommensverluste. Im Umkehrschluss heißt das: Wenn Väter zu Hause bleiben, erleidet die Familienkasse einen um 220 € höheren Einkommensverlust pro Elterngeldmonat. Im bundesdeutschen Durchschnitt verdient Papa 1.714 € netto. Mama verdient 1.046 €. Wenn Mama zu Hause bleibt, sinkt das Familieneinkommen von 2.760 auf 2.415 €. Die Familie hat also 345 € weniger zur Verfügung als ohne dritten Esser. Wenn Papa daheim bleibt, sinkt das Familieneinkommen stattdessen um 565 auf 2.195 €. Noch schlimmer wird es, wenn Papa 3.500 € netto verdient und Mama 2.040 €. Da das Elterngeld bei 1.800 € gedeckelt wird, liegt der Unterschied zwischen Mamas und Papas Elterngeld immer noch bei 440 €. Der Verlust am Familienkommen beträgt aber 1700 €, wenn Papa zu Hause bleibt, gegenüber 680 €, wenn Mama zu Hause bleibt. Das ist ein Verlust im Familieneinkommen von 31 Prozent gegenüber 12 Prozent, wenn Mama zu Hause bleibt. Mal ehrlich, liebe Frauen, wie viel Elternzeit würden sie ihrem Partner noch gönnen? Und mal ehrlich, liebe Männer: Ich kann es verstehen und sehe es eher als Verantwortungsbewusstsein, wenn Ihr in den sauren Apfel beißt und lieber noch ein paar Überstunden macht, damit es der Familie nach der Geburt finanziell nicht so viel schlechter geht. Da es leider für viele Frauen immer noch ein Beziehungshindernis ist, wenn der Mann ebenso viel oder gar weniger verdient, wirkt das Elterngeld eher wie eine Herdprämie Plus. Nach einer Umfrage des Allensbach Institut ist das für 60 Prozent der befragten Väter der Grund, auf die Elternzeit zu verzichten oder nur im Minimalumfang zu nehmen. Und letztlich läge es an den gleichberechtigungswilligen Frauen, bei der Partnerwahl eine größere Toleranz aufzubauen, für Partner, die nicht deutlich besser verdienen. Wenn man eine gleichberechtigte Betreuungsaufteilung will, hat Frau das heute eigentlich relativ gut in der Hand, sich jemanden zu suchen, bei dem man keine tiefgreifenden Einschnitte hinnehmen muss, wenn er zu Hause bleiben soll.

Wie es besser geht, sah man übrigens ins Schweden, wo das Elterngeld wesentlich unabhängiger vom individuellen Einkommen war und anfangs sogar 90 % des Einkommens kompensiert hat und einen höheren Grenzbetrag gehabt hat.

Da sieht das Familieneinkommen im Vergleich so aus.

DeutschlandSchweden
Einkommen Mann3.000 €3.000
Einkommen Frau2.340 €2340 €
Elterngeld Mann1800 € (-40 %)2.700 (-10 %)
Elterngeld Frau1.560 € (-33 %)2106 (-10 %)
Familieneinkommen ohne Kind5.340 €5.340 €
Familieneinkommen Frau in Elternzeit4.560 € (-15 %)5106 € (-6 %)
Familieneinkommen Mann in Elternzeit4.140 € (-22 %)5040 (-4 %)

Da ist es zu mindestens keine finanzielle Überlegung, die Väter von der Elternzeit abhält.

father with the baby
2. Die Mutter-Kind-Bindung

Es ist zwar mittlerweile wissenschaftlich bewiesen und – von bornierten Mütter-Lobbyverbänden abgesehen – unstrittig, dass Männer eine ebenso feste Bindung aufbauen können, wenn man sie lässt (oder wenn sie durch tragische Umstände gezwungen werden), aber machen wir uns nichts vor: In den ersten sechs Monaten nach der Geburt, wenn die Mutter stillt, ist es schwer, sie zu überreden, mal loszulassen und dem Vater das Feld zu überlassen. Ich kenne eine Frau, die bei einem einjährigen Kind den Wochenendumgang des Vaters mit dem Argument „Ich stille noch“ verhindern wollte und empört reagiert hat, als sie von der Richterin „Dann stillen sie ab“ zu hören bekam. Ich kann das sogar verstehen. Wenn man in Schwangerschaft und Wochenbett diese innige Beziehung aufgebaut hat, fällt es schwer, das Kleinkind loszulassen. Und als Vater innerhalb einer Beziehung ist es schon eine schwere Entscheidung, den Haussegen zu riskieren, indem man auch Zeit für das Kind einfordert. Und wenn es während der Schwangerschaft zur Trennung kam? Erst einmal hat er dann keinerlei Rechte, sondern nur eine Pflicht: zu zahlen. Wenn es die Mutter nicht will, müssen sich die Väter alles vor Gericht erkämpfen. Wenn der Vater vor Gericht gewinnt, widmet ihm vermutlich der Hassprediger und Schutzpatron der alleinerziehenden Mütter Gunnar Schupselius in der BZ seine nächste Wutrede, weil eine hysterische Mutter ein aufgelöstes Kind zum Umgang übergeben musste. Ob in der Beziehung oder außerhalb: Wenn die Mutter nicht will, muss der Vater schon sehr selbstsicher sein, um festzustellen, dass es gut und wichtig für das Kind ist, wenn er eine Bindung zu ihm aufbaut, und das dann auch noch gegen den Willen der Mutter durchzusetzen. Und damit kommen wir zu Punkt 3.

3. Die Unsicherheit: „Kann ich das überhaupt?“

Genau genommen ist das der albernste Grund, denn machen wir uns nichts vor: Seit dem Ende der Großfamilien gibt es überhaupt keinen Grund mehr zu der Annahme, eine Frau könne besser mit einem Kind umgehen als ein Mann. Den Erfahrungsvorsprung, den Frauen früher hatten, weil sie kleine Geschwister oder die Kinder der großen Geschwister betreut haben, hat heutzutage kaum eine Frau.

Gibt es einen anderen Grund, warum Deutschland das Land der Erziehungsratgeber ist? Die Bücher werden selten von Männern gekauft, höchstens als ironisches Geschenk für den Junggesellenabschied. Leider ist der Mangel an Erfahrung bei jungen Müttern einer der wichtigsten Gründe, weswegen diese den Vätern viel zu wenig zutrauen und oft eine Krise bekommen, wenn Väter ihren eigenen Erziehungsstil pflegen. Erstens fehlt solchen Müttern das Selbstbewusstsein, einen männlichen Erziehungsstil nicht als Kritik an ihren weiblichen Methoden zu sehen. Zweitens mangelt es vielen an der Fähigkeit, souverän zu erkennen, dass das Kind die Mutter nicht weniger lieb hat, nur weil es den Vater mit seinem Stil liebt. In einem Extremfall gipfelt das in Maternal Gatekeeping, bei der die mütterliche Sorge den Vater aus der Erziehung drängt. Im anderen Extremfall gipfelt es in Kindern, die zwei Mütter haben, nur dass die eine davon einen Penis hat. Vater, die erziehen wie eine Mutter, müssen zwangsläufig scheitern. Warum sollte das Kind die schlechte Kopie vorziehen? Väter machen sich damit zwangsläufig zum Elternteil zweiter Klasse.

Eine solche Pseudo-Harmonie ist auf Dauer wenig hilfreich, sie gefährdet Elternschaft und Beziehung gleichermaßen. Umso größer wird der Schrecken, wenn die Beziehung scheitert und der Vater nach der Trennung plötzlich seinen eigenen Stil pflegt. Es ist kaum möglich, hier ein gedeihliches Miteinander zu finden. Gerade bei Müttern, die selbst keine positiv besetzte Vaterfigur haben, fällt es Männern manchmal leichter, in der Firma ein Fünf-Millionen-Euro-Projekt termingerecht abzuschließen, als eine beziehungskonforme Lösung zu finden, in dem sie sich nicht selbst verraten müssen. Vor allem, wenn man nicht weiß, wie wichtig ein engagierter Vater ist.

4. Karriere ist zuverlässiger

Machen wir uns nichts vor: Spätestens nach der Trennung sind wir Väter Elternteil zweiter Klasse. Vor dem Gesetz sind Väter ohnehin immer noch die Doofen. Es gibt nicht wenige Paare, bei denen es zum Konfliktpunkt wird, wenn man das Thema gemeinsames Sorgerecht anspricht. Plötzlich rasen bei ihr die Gedanken:

„Vertraut er mir nicht?“

„Will er sich trennen?“

„Will er mir die Kinder wegnehmen?”

Und machen wir uns nichts vor, die meisten Jugendämter raten Müttern sogar vor der Sorgerechtserklärung ab, weil dann angeblich alles nur noch schwerer wird.

Einem Freund von mir, der seine Zwillingstöchter nach der Trennung drei Jahre lang im Wechselmodell erzogen hatte, wurden erst vor wenigen Tagen die Kinder weggenommen, weil die Mutter beschlossen hatte, 200 Kilometer fortzuziehen – ohne berufliche oder familiäre Notwendigkeit, einfach nur, weil sie den Wunsch hatte, auf dem Land zu leben. Das während des familienrechtlichen Verfahrens erstellte Gutachten war eindeutig:

„Soweit die Mutter dabei bleibt, ihren Lebensmittelpunkt … in so großer Entfernung zu behalten, ist vor dem Hintergrund der Entwicklung der familiären Beziehungen … zu empfehlen, dass die Kinder ihren Aufenthalt beim Vater finden.“

Die Richterin hielt es dennoch für richtig, die Mädchen aus ihrem gewohnten Lebensumfeld, aus ihrer Schule – sie haben soeben das erste Schuljahr beendet – und aus ihrer gewohnten Bindung zum Vater zu reißen. Und das alles mit der profanen Begründung:

„Egal, was die Gutachterin schreibt, die Bindung zur Mutter ist mir wichtiger.“

Was daran am meisten verwundert, ist, dass die Richterin mit dieser Überzeugung überhaupt ein Gutachten in Auftrag gegeben hat. Vielleicht hat sie gehofft, eine vaterkritische Gutachterin würde ihren Sexismus legitimieren.

Warum also soll man sich als Mann heutzutage in Deutschland auf so etwas wie Familie verlassen? Karriere ist wenigstens zum größten Teil von den eigenen Leistungen abhängig. Natürlich kann ihnen mal eine Quotenfrau den Posten im Aufsichtsrat eines DAX-Unternehmens wegschnappen, aber die Wahrscheinlichkeit ist nicht so groß, dass viele Männer in ihrer Lebensplanung darunter leiden, denn auch die meisten Männer schaffen es nicht in diese quotenregulierten Sphären. In der Regel wissen Männer bei ihrer Karriere, was von ihnen erwartet wird. Im Gegensatz zum Familienrecht, welches immer noch in den 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts steckt, ist es im Berufsleben relativ einfach zu verstehen, was man tun muss, um hier erfolgreich zu sein. Dank des – in Deutschland immer noch sehr mutterorientierten – Familienrechts kann ein Mann das leider über das Sorgerecht oder die Umgangsverteilung bei seinen Kindern nicht sagen. Genannter Freund sitzt jetzt, trotz drei Jahren paritätischer Betreuung seiner Zwillinge, incl. Berufseinschnitte, um die Betreuung zu gewährleisten, genauso ohne seine Kinder da, als hätte er die letzten drei Jahre stumpf an seiner Karriere gearbeitet und sieht die beiden nur noch jedes zweite Wochenende.

NACHTRAG: Einige Jahre und diverse familiengerichtliche Auseinandersetzungen später, hat er seine Kinder 2022 fast zwei Jahren überhaupt nicht mehr gesehen und ist ein ebenso entfremdeter Vater, wie der Mann, der für seinen Vorstandposten all seine Lebenszeit verschwendet hat und nie Zeit für seine Kinder aufbrachte.

Wundert sich jemand, dass Männer unter diesen Umständen heute eher in Zeugungs- und Beziehungsstreik gehen und lieber auf das „sichere Pferd“ Karriere setzen? Im Problemfall ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Väter die Familie weiter finanzieren, ohne Teil von ihr zu sein. Im Extremfall geht es ihnen wie Roland Rehmet und diversen anderen entsorgten Vätern. Sicher, das ist nicht immer so. Die meisten Frauen sind daran interessiert, die Kinder als Paar oder zumindest als Eltern gemeinsam großzuziehen. Aber wer kennt heute nicht Väter, die fünfstellige Beträge in familienrechtliche Auseinandersetzungen investieren müssen, statt es für die Bildung ihrer Kinder oder angenehme Freizeitaktivitäten auszugeben? Und das teilweise nur, um seine Kinder zuverlässig an jedem 2. Wochenende bespaßen zu dürfen. Das deutsche Sorgerecht ist nun mal konfliktfördernd. Gleichberechtigung ist im Zweifelsfall weniger wichtig ist, als einen Deppen zu haben, der dem Sozialstaat mit seinem Unterhalt Kosten abnimmt.

5. Die gesteigerte Erwerbsobliegenheit

Nach der Trennung? Dann dürfen sie sich vor allem als unverheirateter Vater jedes Recht mühsam erkämpfen. Selbst wenn Sie das Recht der Kinder auf beide Eltern durchsetzen und ihre Kinder regelmäßig sehen – passen Sie gut auf, es sei denn Sie gehören zu den wenigen, die sich um Geld keine Sorgen machen müssen! Denn ob sie das Kind nur einmal im Jahr sehen oder 45 Prozent der Fürsorge übernehmen, ist im Unterhaltsrecht egal. Da gibt es nur Vollerzieher oder Vollzahler oder Paare, die sich das exakt (!) 50:50 teilen, wie der Bundesgerichtshof im November 2014 noch einmal festgestellt hat. Hat die Mutter auch nur einen Tag im Monat mehr Erziehungszeit, muss der Vater den Unterhalt dennoch fast vollständig entrichten – als Barunterhalt an die Mutter. Dabei ist es völlig gleichgültig, ob er auch die Miete für ein separates Kinderzimmer bezahlen muss oder die Kinder zu 45 Prozent selbst verpflegt und einkleidet und der Mutter die nötige Freizeit für vollzeitnahe Arbeit verschafft. Er von Glück reden, wenn ihn die Jugendamts-Mitarbeiterin um eine Einkommensstufe der Düsseldorfer Tabelle herabstuft, und er 18 Euro pro Kind weniger zahlen muss. Wie gnädig!

Und ganz wichtig: Natürlich können sich diese Väter ihr Privatvergnügen der Kindeserziehung nur leisten, wenn sie genug verdienen, um trotz Arbeitszeitreduzierung den vollen Unterhalt zahlen zu können. Ansonsten greift die gesteigerte Erwerbsobliegenheit: Wenn sie in Vollzeit 2.850 € verdienen, zahlen sie für zwei Kinder je nach Alter zwischen 578 und 804 €. Wenn eines der Kinder unter drei Jahren ist, kommen 450 € Betreuungsunterhalt hinzu. Im ungünstigsten Fall (ein Kind unter drei, eines älter als 12) zahlt ein solcher Vater 1.111 € – egal, ob er aufgrund der 45 Prozent Betreuungsaufwand seine Arbeitszeit auf 25 Stunden gekürzt hat. Da kaum jemand mit einem Einkommen von 1.780 €, das bei 25 Stunden pro Woche übrig bleibt, so viel Unterhalt zahlen kann, wenn er obendrein eine kindertaugliche Wohnung finanzieren will, werden Väter vom Gesetzgeber gezwungen, in Vollzeit zu arbeiten. Wenn sie dann keine Zeit mehr haben, um für ihre Kinder da zu sein? Dumm gelaufen! Das interessiert weder den Richter noch die Frau Familienministerin. Die singt lieber noch einmal ihr Loblied auf „Wonderwoman“, was im SPD-Neusprech die Bezeichnung für Alleinerziehende ist.

6. Die Stiefmutter

Ich habe Hochachtung vor Frauen, die sich auf Männer mit Kind einlassen und es akzeptieren, dass es schon Kinder im Leben dieses Mannes gibt und er sich um sie kümmern will. Leider gibt es durchaus Frauen, die es toll finden, mit so engagierten Vätern eine Familie zu gründen, wenn diese bereit sind, die Kinder aus der vorherigen Beziehung bei der Ex-Frau zu lassen. Klar, als Mann muss man da nicht drauf eingehen. Ich habe in den 13 Jahren zwischen Trennung und zweiter Ehe fünf langfristige Beziehungen gehabt. Zwei davon waren mit Frauen, die unbedingt Kinder mit mir haben wollten. Als das Thema konkret wurde, stellte sich aber heraus, dass es nur unter der Bedingung sein sollte, dass meine Kinder da keine Rolle spielen. Für mich war das nie eine Frage. Ich hätte mir weder von meinen Kindern vorschreiben lassen, mit wem ich meine Zukunft aufbaue, noch von meiner Partnerin, ob ich meine Kinder dabei haben will. Allerdings kenne ich Väter, die eine fürchterliche Trennung hinter sich haben – mit einer in ihrer Eitelkeiten verletzten Ex-Partnerin, die alles daran setzte, dass die Kinder ihren Hass auf den Vater übernehmen.

Da kann ich es mittlerweile schon nachvollziehen, wenn sich ein Mann in Deutschland schweren Herzens dazu entschließt, lieber mit einer respektvollen Frau eine Zukunft aufzubauen und die Kinder bei der Mutter zu lassen, so wie mein eigener Vater das gemacht hat. Ich weiß zwar, wie übel sich das als Kind angefühlt hat, aber ich glaube es ihm heute, wenn er sagt, es war das beste, was passieren konnte, dass meine Mutter mit einem anderen Mann und mir verschwand. Trotz des gestörten Verhältnisses zu seinen Kindern aus erster Ehe war die neue Familie für ihn die bessere Wahl. Unterstützung von Jugendämtern und Familiengerichten ist bei uns leider immer noch Glückssache. Deutschland ist gerade wieder vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gerügt worden, weil wir über keine effektiven Rechtsmittel verfügen, mit denen ein Vater Umgangsverweigerung unterbinden kann. Im konkreten Fall hat der klagende Vater über zehn Jahre hinweg durch alle Instanzen versucht, den Kontakt zu seinem Kind aufrechtzuerhalten. Er kämpft immer noch, hat sein Kind vor Jahren das letzte Mal gesehen. Doch obwohl es gerichts- und aktenkundig ist, dass die Mutter den Umgang sabotiert und die Seele des Kinds manipuliert, verhelfen die deutschen Richter dem Mann und seinem Nachwuchs nicht zum Umgang.

Es wäre nie eine Option für mich gewesen, aber ich kann Männer verstehen, die sich in so einer Situation gegen ihre Kinder entscheiden und sich mit den so ersparten Prozesskosten lieber eine neue Existenz mit einer anderen Frau aufbauen. Wenn Frauen die Trennung initiieren, bekommen Männer gern den Spruch zu hören: „Es gehören immer zwei dazu.“ Sicher, das ist meist richtig. Allerdings nicht nur, wenn es darum geht, Frauen von ihrer Verantwortung freizusprechen. Der Spruch gilt gleichermaßen, wenn man Männern vorwirft, dass sie sich nicht ausreichend um ihre Kinder kümmern. Da gehören oft sogar mehr als zwei dazu.

Für mich wäre es nie ein Thema gewesen, aber ich habe auch außerordentlich viel Glück mit meiner Sachbearbeiterin vom Jugendamt gehabt, die sehr hilfreich dabei war, dass mein Sohn zu mir ziehen konnte. Außerdem war mir eine Karriere relativ egal. Lange vor der Generation Y war mir eine sinnvolle Work-Life-Balance immer wichtig. Außerdem habe ich – siehe Punkt 3 – nie an meinen Fähigkeiten als Vater gezweifelt. Ich habe eine elf Jahre jüngere Halbschwester mit großgezogen. Ich habe bereits mit elf Jahren im Krankenhaus gelernt, wie man einem kleinen Mädchen die Windel wechselt, ohne dass es einen Blaseninfekt bekommt. Ich habe meiner Schwester Laufen und Fahrradfahren beigebracht und sie ins Bett gebracht. Ich wusste, wie all das geht, bevor ich selbst Kinder hatte. Als Belohnung hat mein Sohn bereits mit fünf Jahren gesagt, dass er zu mir zurückwill. Da gab es gar keine Alternative. Ich würde mich immer wieder so entscheiden, aber das heißt nicht, dass ich Väter nicht verstehen kann, wenn sie den anderen Weg gehen.

Da das Familienministerium Männer offensichtlich nur bis zur Trennung für seine Klientel hält, ist es für Männer immer noch schwer, sich mit dem Wunsch auf eine ausgefüllte Vaterrolle durchzusetzen. Um auf den Text bei Spiegel Online zurückzukommen: Das hat oft nichts mit Mut zu tun, sondern damit, dass Männer im deutschen Familienrecht nach wie vor massiv diskriminiert und nicht als vollwertiger Erziehungsteil akzeptiert werden.

10 Kommentare zu „6 Gründe, warum Väter weniger Elternzeit nehmen

  1. Ganz lieben Dank für diesen Artikel. Kämpfen Sie bitte weiter für Väterrechte! Ich finde es einfach nur schlimm, wie verlogen das Thema Familie behandelt wird. Genau das steht doch einer Emanzipation von Frau und Mann im Wege. Und für die Kinder ist das auch verheerend. Mit lieben Grüßen von einer Stiefmutter 😉

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